Von Lena Schützle
Reflexionen auf einen Vortrag zum Thema „Antifeminismus wider die Demokratie“ von Prof. Ursula Birsl¹ (Philipps-Universität Marburg) an der Hochschule für Philosophie, den wir als Stipendiat*innengruppe der Hanns-Seidel-Stiftung besucht haben.²
Kurz nach der Europawahl 2024 brauchte es nicht viele Worte, um die Relevanz der Veranstaltung zum Thema „Antifeminismus wider die Demokratie“ zu erläutern. Spätestens nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen dürfte vielen klar geworden sein, dass Demokratiefeindlichkeit kein Nischenthema ist. Doch, was ist Antifeminismus eigentlich?
Hier geht’s zum open access Sammelband „Antifeminismen. ›Krisen‹-Diskurse mit gesellschaftsspaltendem Potential?“, herausgegeben von Ursula Birsl und Annette Henninger im transcript Verlag. |
Antifeminismus ist eine Gegenbewegung zum Feminismus, die oft in Momenten sichtbar wird, in denen gegebene Geschlechterordnungen zugunsten einer Liberalisierung in Frage gestellt werden; zum Beispiel durch die Forderung nach aktivem und passivem Wahlrecht für Frauen oder mit dem Selbstbestimmungsgesetz. Dieses ermöglicht es, den Geschlechtseintrag (m/w/d) mit weniger Barrieren, sprich ohne medizinisches Zeugnis, zu ändern.
Feminismus steht hier für jene herrschaftskritischen und emanzipatorischen Bewegungen, die sich nicht allein für mehr Rechte von Frauen einsetzen, sondern sich für die Gleichstellung aller Menschen einsetzen. So, wie es dabei nicht den einen Feminismus gibt, gibt es auch nicht den einen Antifeminismus. Genau genommen muss also von Feminismen und Antifeminismen gesprochen werden.
Doch Vorsicht, nicht alle, die sich als „feministisch“ bezeichnen, setzen sich für gleiche Rechte aller Menschen ein. Die so genannten Trans Exclusionary Radical Feminists (TERF) zum Beispiel sprechen unter dem Anspruch, für Frauen zu handeln, trans Frauen aktiv ihre Rechte, z.B. auf medizinische Versorgung zur Selbstbestimmung, ab. „Feminismen heute. Positionen aus Theorie und Praxis“ gibt einen Einblick in die Vielzahl feministischer Akteur*innen und Bewegungen.
Antifeministische Haltungen machen den Feminismus zum Feindbild und zeigen sich häufig in extrem rechtem Denken und Handeln. Prof. Birsl weist darauf hin, dass Antifeminismus dabei nicht mit Misogynie gleichzusetzen sei. Kurz gesagt: Misogynie ist Frauenfeindlichkeit, die sich mitunter auch als Frauenhass zeigt. Antifeminist*innen hassen jedoch nicht unbedingt Frauen, sondern sie sehen die Forderung nach Emanzipation und Gleichberechtigung aller Geschlechter als grundlegendes Problem an. Antifeminismus richtet sich teils gegen „den“ Feminismus als solchen, teils gegen konkrete Projekte oder Forderungen der Gleichstellungsarbeit und auch gegen queere Personen und Organisationen. Auch, wenn Antifeminismus und Misogynie nicht gleichzusetzen sind, treten sie doch häufig gepaart auf. Z.B. in den Tatmotiven antifeministischer Gewalttaten. Die Amadeu Antonio Stiftung hat eine „Meldestelle Antifeminismus“ eingerichtet, bei der im ersten Jahr bereits 814 Meldungen von Betroffenen eingingen.
Ein weiteres Beispiel für eine antifeministische Bewegung, die in diesem Fall häufig auch frauenfeindlich ist, sind die sogenannten (selbsternannten) Incels (engl. involuntary celibate, dt. unfreiwillig sexuell enthaltsam). Incels sehen sich als Opfer, die unter fehlenden (sexuellen) Beziehungen zu Frauen leiden und geben „dem“ Feminismus die Schuld an ihrer „ungewollten Enthaltsamkeit“. Ruth Rebecca Tietjen und Sanna K. Tirkkonen schreiben in diesem Artikel über die Incel-Bewegung und vermeintliche Gründe ihrer antifeministischen Haltung: https://link.springer.com/article/10.1007/s11245-023–09921‑6.
Eine weitere Differenzierung erscheint sinnvoll: Nicht alle Positionen, die Kritik am Feminismus üben, sind antifeministisch. Eine konservative Vorstellung von Geschlechterverhältnissen kann durchaus von antifeministischen Vorstellungen unterschieden werden, da erstere den Feminismus nicht als den eigentlichen Feind betrachtet.³ Im politischen Feld liegen beide Pole – wie Prof. Birsl anschaulich zeigen konnte – teils nah zusammen. Mit Blick auf die Organisator*innen des „Marschs für das Leben“ wird klar, dass sich die unterschiedlichen Akteur*innen von konservativ (z.B. Vertreter*innen christlicher Kirchen) bis antifeministisch (z.B. die „zivile Koalition“) mit ihren Anliegen, z.B. gegen Schwangerschaftsabbrüche, auf der gleichen Demonstration wiederfinden.
Antifeminismus befeuert die Gewaltbereitschaft vor allem gegenüber queeren Menschen und Frauen und ist in sich antidemokratisch. Mitbestimmung und Teilhabe sind aus antifeministischer Sicht nicht für alle gleichermaßen vorgesehen. Nach den Wahlen ist hoffentlich weiterhin vor den Wahlen. Und Abgrenzung tut Not. Wann kippen konservative Geschlechtervorstellungen ins Antifeministische? Wann laufen Antifeminist*innen neben Konservativen? Und welche gesellschaftliche Antwort hat die demokratisch orientierte Gesellschaft auf Hasskriminalität gegen queere Menschen?
Weitere Begriffsklärungen, z.B. „Antigenderismus“ oder „Sexismus“ nimmt Imke Schmincke in diesem Blogartikel vor: https://www.gwi-boell.de/de/2018/08/03/frauenfeindlich-sexistisch-antifeministisch-begriffe-und-phaenomene-bis-zum-aktuellen. Oder Sabine Herberth’s Artikel „Grundzüge des Antifeminismus“, in: Zivilgesellschaftliches Lagebild Antifeminismus 2023. Dokumentation und Analysen der Meldestelle Antifeminismus. |
¹ Prof. Birsl untersucht mit ihrem Team, inwiefern antifeministische Bewegungen ein „Lackmustest für autoritäre politische Ziele im Allgemeinen“ sind.
² Vielen Dank an René für die hilfreichen Kommentare zum Text!
³ Wenn hier überhaupt von Feindbild gesprochen werden kann, richtet sich der Konservatismus allgemein gegen Progressive Positionen, z.B. den politischen Liberalismus.