Mitwirkende: Andrea Glodek und René Pikarski
Ich bin Rebecca, 28 Jahre alt und stolze Mutter von zwei kleinen Töchtern, eine ist neun Monate alt und die andere bald drei Jahre. Neben meiner Rolle als Mama bin ich Doktorandin an der Universität Würzburg und forsche zur Entwicklung und Anforderungen eines Palliative-Care-Ansatzes für Menschen mit schweren und anhaltenden psychischen Erkrankungen. Als Pflegeexpertin auf einer akutpsychiatrischen Station befinde ich mich momentan in Elternzeit. Um mit der Dissertation voranzukommen, bin ich in das Promotionskolleg „Zeichen der Zeit lesen” eingebunden, das von der Katholischen Stiftungshochschule, der Hochschule für Philosophie und der Katholischen Universität geleitet und durch die Hanns-Seidel-Stiftung mit Stipendien finanziert wird.
Wenn über das Thema „Promovieren mit Kindern” gesprochen wird, geht es oft nur darum, wie man trotz der Herausforderungen, die Kinder mit sich bringen, die Dissertation erfolgreich abschließen kann. Doch wie wäre es mit einem Perspektivwechsel?
Ja, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein wichtiges Thema und manchmal ist es schwer, zwischen akademischer Arbeit und Windelwechseln zu switchen. Gelegentlich bekommt man bei den ganzen Vereinbarkeits-Diskussionen allerdings den Eindruck, dass Babys und Kinder lediglich als Hindernis angesehen werden, das es zu überwinden gilt, um erfolgreich promovieren zu können. Das finde ich zu kurz gedacht. Für mich stellen Kinder kein Hindernis dar, sondern sind mein Schlüssel zum Promotionserfolg.
Es gab Zeiten, in denen ich eine ausgeprägte Perfektionistin war. Heute erscheint mir ein gewisser Drang zum Perfektionismus zwar besonders in der Forschung wichtig, doch kann ein Übermaß davon auch hemmend wirken. Hier kommen Kinder ins Spiel: Sie geben einen unausweichlichen Crashkurs in Pragmatismus. Ich habe in vielen Situationen schlichtweg keine Zeit mehr, um erst einmal alles gründlich abzuwägen und bis ins Detail vorauszuplanen.
Pragmatismus heißt für mich beim Arbeiten: Nicht immer darauf warten zu können, bis der fertige Gedanke spruchreif ist. Stattdessen: „Einfach mal machen” und die Ideen dann aufschreiben, wenn sie sprudeln, selbst, wenn sie noch so naiv sind und sich zunächst ziemlich dumm anhören. Die begrenzte Zeit verlangt, genau zu überprüfen, was gerade wichtig ist. Was sollte unbedingt erledigt werden und was kann warten? Wo liegen meine Prioritäten? Eingeführt habe ich regelmäßige kleine „Arbeitsprints”, die mich gut voranbringen: kurze Zeitabschnitte, in denen ich mich vollständig auf mein Promotionsprojekt konzentriere, ohne Ablenkungen zuzulassen.
Ganz bewusst schaffe ich mir als promovierende Mutter Freiräume für Ausgleich und Familie, um die gemeinsamen Augenblicke zu genießen. Obwohl auch lästige Aufgaben im Haushalt anfallen, versuche ich, diese Zeit für mich und meine Kinder positiv zu gestalten. Während es mir früher schwerfiel, abzuschalten, den Kopf freizukriegen und Abstand von der Arbeit zu gewinnen, war das mit Kind gar kein Problem mehr.
Aus meiner Erfahrung möchte ich noch einige Tipps weitergeben:
- Deine Kinder kommen an erster Stelle, und zwar jederzeit ohne schlechtes Gewissen der Doktorarbeit gegenüber.
- Wenn Du zweifelst: Es ist alles nur eine Phase. Kinder entwickeln sich schnell, und es gibt immer wieder anstrengende Zeiten, in denen die Dissertation ruhig in den Hintergrund rücken darf.
- Berücksichtige Dein Energielevel. In anstrengenden Zeiten konzentriere Dich auf Aufgaben, die weniger Energie erfordern.
- Kontinuität ist wichtig. Nutze Deine Zeit, um kontinuierlich an der Promotion zu arbeiten. Es kostet sehr viel Energie, sich wieder und wieder einzudenken.
- Bewirb Dich auf ein Stipendium oder ein finanziertes Kolleg. Nimm dabei die Promotions- oder Familienberatung der Hochschule in Anspruch. Eine gesicherte Finanzierung ist entscheidend für die Vereinbarkeit von Promotion und Familie.
Es ist wichtig, die positiven Auswirkungen der Kinder auf die Promotion anzuerkennen und zu genießen. Als promovierende Eltern dürfen wir stolz sein und gleichzeitig Spaß an der Forschung haben und die Zeit mit unseren Kindern genießen. Sie werden so schnell groß, und diese kostbaren Augenblicke möchten wir bewusst und mit gutem Recht erleben. Man darf in diesen Momenten die Dissertation einfach als das akzeptieren, was sie ist, das heißt auch: sie gelegentlich für das Leben ruhen zu lassen.
Du überlegst noch und fragst, was Dich aufhält? Einfach mal machen!
Dieser Beitrag ist auch im KSH Magazin der Katholischen Stiftungshochschule München erschienen.